IT ORGANISATION 2025 INTERVIEW MIT ANDREAS STRAUSFELD CEO @ BITMARCK
IT ORGANISATION 2025 INTERVIEW MIT ANDREAS STRAUSFELD CEO @ BITMARCK

„Eine Transformation kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten mit auf die Reise gehen“

Als Managed Service Provider im IT-Markt der gesetzlichen Krankenversicherungen treibt BITMARCK die Digitalisierung in der Branche und bei seinen Kunden mit innovativen Produkten, Lösungen und Services voran. Thomas Heinevetter, Geschäftsführer der kobaltblau Management Consultants GmbH, sprach mit Andreas Strausfeld, dem Vorsitzenden der BITMARCK-Geschäftsführung, über die Zukunft der IT.

Andreas Strausfeld, CEO bei BITMARCK

Thomas Heinevetter: Wohin geht die Reise für die IT und die Zusammenarbeit mit dem Business?

Andreas Strausfeld: Das hängt stark von der Branche ab. Für einen IT-Dienstleister im Gesundheitswesen wie BITMARCK ist und bleibt die Produkt-IT im Mittelpunkt. Das deutsche Gesundheitswesen steckt mitten in der Transformation und Digitalisierung. Es werden völlig neue Ende-zu-Ende-Dienste aufgesetzt. Und diese Anwendungen hören nicht wie in den letzten Jahren bei der Krankenkasse auf, sondern reichen bis zum Frontend – also bis zu den Versicherten beziehungsweise Patienten. Speziell darauf ausgerichtete Produktteams sind der Schlüssel zum Erfolg. Sie müssen diese Prozesse verstehen, die Patienten und Versicherten bedienen sollen. Und sie müssen daraus die Notwendigkeiten und die Handlungsbedarfe ableiten – wie Lösungen, Services, und Produkte aussehen müssen. Ende-zu-Ende umfasst aber auch Plattformen und sichere Infrastrukturen, die gerade für Sozial- und Gesundheitsdaten eine hohe Relevanz haben in unserem Land.

Heinevetter: Gilt das für alle Bereiche im Unternehmen, also auch für HR, Controlling, Finance?

Strausfeld: Nein, nicht identisch. Shared Services wie HR oder Einkauf sind für mich eher separat zu betrachten und zu entwickeln. Unser Fokus bei den Produktteams liegt auf unseren Kundenservices.

Heinevetter: Wir nehmen im Markt und bei unseren Kunden zunehmend die Tendenz war, dass IT-Kompetenz auch in den Fachbereichen aufgebaut wird – ausgelöst auch durch No- oder Low-Code-Plattformen. Fördert oder schadet das der Integration mit dem Business?

Strausfeld: Es ist wichtig, dass das Business eigenes IT-Know-how aufbaut, um Architekturen oder Lösungen beurteilen zu können und Anforderungen zu definieren. Die Fachbereiche müssen mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet sein, um in Vergabeverfahren, Vertragsverhandlungen oder beim Servicedesign die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Heinevetter: Werden denn Plattformen mit No- oder Low-Code-Funktionalitäten nachgefragt?

Strausfeld: Die Nachfragen sind noch nicht zahlreich, aber vereinzelt gibt es sie. Vor allem bei BI- oder KI-Verfahren wird ansatzweise darüber nachgedacht.

Heinevetter: Stichwort BI oder Power-BI: Damit können quasi alle Mitarbeitenden Auswertungen selbst generieren. Was halten Sie davon?

Strausfeld: An dieser Stelle müssen Aufwand und der tatsächliche Nutzen für das Tagesgeschäft genau betrachtet werden. In den Krankenkassen finden überwiegend Tätigkeiten mit Fokus auf Beratung und Betreuung der Kunden statt.  Eine Überfrachtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Werkzeugen wie Power-BI nach dem Gießkannen-Prinzip ist daher aktuell kaum zielführend.

Heinevetter: Mit dem Thema Produktorientierung beschäftigen sich aktuell viele Unternehmen. Wie organisiert man cross-funktionale Produktteams? Was ist das Produkt? Das sind nur einige von vielen Fragestellungen. Ist Produktorientierung auch bei BITMARCK ein großes Thema?

Strausfeld: Produktorientierung muss zweigeteilt gesehen werden. Erstens: BITMARCK hat stabile Geschäftsfelder, Produktlinien, Dienstleistungen und IT-Systeme. Und die Kunden sind z. B. über Fachbeiräte und Anwenderkreise integriert. Wir müssen hier jetzt nicht zwanghaft etwas verändern, nur um der Veränderung willen. Aber auch: Der Ende-zu-Ende-Gedanke bedeutet eine Verschiebung des Geschäfts. Es bewegt sich in Richtung B2B2C. Wenn wir die Versicherten und ihre Anforderungen berücksichtigen, entstehen komplett neue Produkte – und nicht einfach nur eine neue Version von Krankenkassen-Software. Es entstehen vielmehr Komponenten, die auf Smartphones oder auf anderen Plattformen passieren. Damit tauchen auch neue Notwendigkeiten und Qualitätssicherungsverfahren auf.

Von links: Christoph Hecker (kobaltblau), Andreas Strausfeld (BITMARCK), Thomas Heinevetter (kobaltblau)

Heinevetter: Wie wichtig ist dabei strategisches Produkt-Management?

Strausfeld: Extrem wichtig – das sieht man am besten am aktuellen Geschehen im deutschen Gesundheitswesen. Hier passiert gerade viel: die elektronische Patientenakte, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, das elektronische Rezept. Alle Komponenten müssen integriert werden. Dazu ist eine Instanz nötig, die orchestriert und die verschiedenen Services zusammenbringt, um tatsächliche Mehrwerte in der Versorgung zu generieren. Ein strategisches Produkt-Management kann so als übergeordnete Schicht fungieren, die die Produkte integriert, vernetzt und mit den entsprechenden Umsetzungsprioritäten versieht.

Heinevetter: Wie groß ist die Reichweite von Produktteams idealerweise?

Strausfeld: Bei BITMARCK geht sie über den klassischen Product Owner hinaus. Die Reichweite geht bis zu den Versicherten bzw. Patienten sowie Leistungserbringern und auch Arbeitgebern. Nötig sind durchgängige und integrative Krankenversicherungsprozesse, deren Ergebnisse idealerweise in einem einzigen Kundenpostfach landen und über eine Bankverbindung abgerechnet werden – beispielsweise auch mit Zusatzversicherungen.

Heinevetter: Beim Thema Produktorientierung planen viele Unternehmen die Trennung von disziplinarischer und fachlicher Führung einzuführen. Ist das auch für BITMARCK ein geeignetes Modell?

Strausfeld: Unsere Hamburger BITMARCK-Einheit war die erste, die sich diesem Ansatz gewidmet hat. Hier gibt es Product Leads, also Produktverantwortliche und People Leads, verantwortlich für virtuelle Teams, für unterschiedliche Service-Linien. Das ist nicht trivial. Auf dieser Reise müssen wir unsere Mitarbeiter und Kunden mitnehmen und eng begleiten.

Heinevetter: Welche Rolle nimmt das Demand Management ein? Ist diese Funktion noch länger erforderlich oder wird sie durch den Product Owner ersetzt?

Strausfeld: Das Demand Management nimmt eine produkt-übergreifende, koordinierende Rolle ein. Demand Management ist eine Steuerungsfunktion, die Doppelentwicklungen verhindert, Wirtschaftlichkeitsaspekte im Auge behält und auch aufpasst, dass keine Konkurrenz zwischen verschiedenen Produktteams und Produktentwicklungen entsteht. Das große Ganze zählt: Wir sind nur erfolgreich, wenn wir Gesundheitsservices, Krankenkassenservices und Telematikservices verbinden und nicht in Konkurrenz unterwegs sind.

Heinevetter: Wird sich BITMARCK zu einer datengetriebenen Organisation entwickeln?

Strausfeld: Ich habe das Thema „Data Driven“ und die Bedeutung von Daten für neue Produktstrategien gesetzlicher Krankenversicherungen seit Jahren im Fokus. Denn es gibt seit längerer Zeit bereits Ansätze, die über starre Reporting- und Analyseverfahren hinausgehen. Aus BITMARCK-Sicht müssen wir dahinkommen, Plattformen und Daten zu beherrschen, das ist das Geschäft der Zukunft. Aber: Im deutschen Gesundheitswesen ist der Umgang mit Daten an sehr hohe Anforderungen geknüpft. Und die Nutzerinnen und Nutzer geben ihre Gesundheitsdaten natürlich nicht so gerne aus der Hand. Hier gilt es zunächst einmal, Aufklärungsarbeit zu leisten – was genau wir tun und wo dabei die Vorteile für die Krankenkassen und Versicherten liegen.

Heinevetter: Lässt sich dieses Verhalten ändern?          

Strausfeld: Die Versicherten oder Patienten müssen den Nutzen erkennen: Wenn sie im Gegenzug bessere Beratungen und neue Versorgungsmodelle für die jeweilige Lebenssituation erhalten, wenn die Medizin in der Lage ist, über große Datenmengen frühzeitig Diagnosen abzuleiten, Therapien zu entwickeln und in Summe die Versorgung zu verbessern. Dazu sind die Daten entscheidend.

Heinevetter: Gibt es konkrete Data-Science-Initiativen?

Strausfeld: Wir haben vor zwei Jahren bei BITMARCK die Data.Science.Factory ins Leben gerufen, eine spezielle Organisationseinheit, die komplett datengetrieben arbeitet. Basis sind aktuell noch ausschließlich die Daten, die unser Unternehmen zur Verfügung hat. Da gibt es noch viel Potenzial.

Heinevetter: Kümmert sich diese Organisation auch um Datenmanagement?

Strausfeld: So weit sind wir noch nicht. Die Aspekte Datenstrategie, Datensicherheit, Daten-Compliance, Datenarchitektur liegen in starkem Maße in der Hoheit der jeweiligen Units und den jeweiligen Fachverfahren. Aktuell beschäftigt sich die Data.Science.Factory mit Data Use Cases, also den fachlichen Anwendungsfällen, um mehr Informationen aus den Daten zu gewinnen, die zur Verfügung stehen.

Heinevetter: Also sind auch Chief Data Officer noch kein Thema?

Strausfeld: Für die Data.Science.Factory ist das ein wichtiges Thema – ganz im Gegensatz zu Data Lakes und dem Schürfen nach weiteren Informationen. Die Factory treibt vielmehr in einem iterativen Vorgehen eine eigene Data-Science-Strategie innerhalb des Unternehmens voran. Die Projekterfahrungen fließen dabei ebenso ein wie die Sichtweisen der Kunden, die in einem eigenen Veranstaltungsformat diskutiert und reflektiert werden. Der strategische Rahmen ist hierbei besonders wichtig. Daten analytisch zu verwerten, birgt ein großes Nutzenversprechen. Während Digitalisierungsstrategien überall anzutreffen sind, wird das Thema Data Science jedoch nicht immer als eigenständige Strategiefeld begriffen.

Heinevetter: Mit Produkt- und Datenorientierung sowie der wachsenden Symbiose zwischen Business und IT widmen Sie sich drei komplexen Themen. Was macht eine Transformation für Sie erfolgreich?

Strausfeld: Eine Transformation kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten mit auf die Reise gehen. Es wäre zum Beispiel ausgesprochen schwierig, wenn BITMARCK transformiert – aber der Kunden- und Gesellschafterkreis zurückbleibt. Akzeptanz heißt Unterstützung, auch monetär. Denn Transformation bedeutet nicht nur Umdenken, sondern kostet auch Geld, Zeit und Ressourcen. Es müssen alle an einem Strang ziehen. Das setzt Unterstützung vom Management sowie Transparenz und Kommunikation voraus.

Heinevetter: Können Pilotprojekte dabei unterstützen?

Strausfeld: Pilotprojekte sind wichtige Instrumente und bieten wertvolle Mechanismen – in einer, Organisation lässt sich schließlich nicht einfach den Transformationsschalter umlegen. Erfolgreiche Pilotprojekte müssen dann jedoch zeitnah im Unternehmen in die Praxis umgesetzt werden. Die frühere Vorgehensweise der Einführung in Stufen oder nur in bestimmten Units funktioniert nicht. Das führt zu Ungleichgewichten in der Gesamtorganisation und zu Verwerfungen.

Heinevetter: Zu guter Letzt: Was sind mittel- und langfristig die Top-3-Handlungsfelder der BITMARCK?

Strausfeld: Punkt 1: Die weitergehende Transformation hat hohe Relevanz, weil das Geschäft sich nachhaltig ändert. Die Integration von Versicherten und Patienten – also End-zu-Ende – stellt neue Anforderungen. Die Erwartungshaltungen von Versicherten an schnelle, kurz getaktete Lösungen, Lösungsentwicklungen und Serviceentwicklungen zu kommen, erfordert eine andere Aufstellung, andere Prozesse, andere Mindsets und eine andere Haltung.

Punkt 2: Der Fokus auf unser Kerngeschäft muss erhöht werden. Alleinstellungsmerkmale sind wichtig. Wir dürfen uns nicht verzetteln mit Dingen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Dazu zählen auch IT-Infrastrukturen. Sie können auch von Systemhäusern geliefert werden, die in dem Bereich die Spezialisten sind.

Und Punkt 3 ist damit verknüpft: Die Skill-, Kultur- und Ressourcenentwicklung. Die Ressourcen müssen sich darauf konzentrieren, was das Unternehmen und seine Kunden erfolgreicher macht. Das heißt: Konzentration auf das Wesentliche statt möglichst breiter Aufstellung. Wir müssen unsere Ressourcen nutzen für die Optimierung von Telematikdiensten, Gesundheitsservices, Integration und Vernetzung.

Andreas Strausfeld ist seit 2014 Vorsitzender der BITMARCK-Geschäftsführung. Zuvor war er bereits seit 2008 als Geschäftsführer bei der BITMARCK Holding GmbH und seit 2010 bei der BITMARCK Vertriebs- und Projekt GmbH aktiv. In gleicher Funktion war er auch bis zum 31. Mai 2016 bei der BITMARCK Software GmbH tätig. Vor seinem Engagement bei BITMARCK war der studierte Wirtschaftsinformatiker in verschiedenen leitenden Funktionen bei der DAK – Unternehmen – Leben tätig: Von 2005 bis 2008 als Chief Information Officer (CIO) und Mitglied der Geschäftsleitung, von 2002 bis 2005 als IT-Sicherheitsbeauftragter und Vertreter des Leiters des Geschäftsbereichs IT-Services sowie von 1999 bis 2001 als Leiter Stabsbereich Steuerung. Andreas Strausfeld wurde von den Magazinen CIO und Computerwoche dreimal als „CIO des Jahres“ ausgezeichnet: Im Jahr 2008 in der Kategorie „Großunternehmen“, 2015 in der Kategorie „Mittelstand“ und seit 2021 gehört er zu den Top CIOs auf dem Public Sector.

 

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